Gastherausgeber*Innen: Ingrid Artus, Reinhard Bahnmüller, Reinhard Bispinck
Der Umbau des Tarifsystems in Deutschland und Europa ist seit längerem im Gang. Als abgeschlossen kann die Entwicklung nicht betrachtet werden. In Deutschland geht die Tarifbindung der Betriebe und der Beschäftigten weiter zurück, konditionierte Tarifunterschreitungen mit Abkommen auch auf betrieblicher Ebene sind zu einem Dauerelement des Tarifsystems geworden. Im Dienstleistungssektor besteht ein Flickenteppich verschiedener kollektiver Regulierungen sowie komplett unregulierter Zonen. Wohin entwickelt sich das Tarifsystem? Welche Ansätze zur Stützung von unten und von oben gibt es und welche Effekte lassen sich ausmachen? Welche Funktionen und Effekte haben Verbände ohne Tarifbindung (OT)? Und welche Entwicklungen lassen sich vergleichend auf europäischer Ebene beobachten? Auch die Themen der Tarifpolitik und die Art ihrer Regulierung wandeln sich, etwa in der Arbeitszeitpolitik, der Entlohnung, der Leistungsregulierung, der Qualifizierung oder der Gleichstellungspolitik. Tarifpolitik, Mindestlohnpolitik und Sozialpolitik verschränken sich in neuer Weise. Streiks haben vor allem im Dienstleistungssektor zugenommen, aber auch in der Metall- und Elektroindustrie wird mit neuen Streikformen experimentiert. Welche Erfahrungen wurden gemacht? Wie entwickelt sich das Verhältnis von Konflikt und Kooperation – in Deutschland und europaweit? Ist die europäische Koordinierung der gewerkschaftlichen Tarifpolitik am Ende? Ist ein europäischer Mindestlohn ein zukunftsfähiger Ansatz? Und welche Chancen und Grenzen gibt es für eine Tarifpolitik in international agierenden Unternehmen? Erwünscht sind Beiträge, die folgende Themen bzw. Themenfelder adressieren:
Themenfeld 1: Tarifsystem
- Wie entwickelt sich die Tarifbindung? Entwicklungstrends und ihre Ursachen (Branchen- und regionale Differenzierung, Fragmentierung der Unternehmen, OT-Verbände)
- Was heißt Tarifbindung heute? Abweichungen von der Fläche: Theorie, Praxis und Perspektiven („Pforzheimer Abkommen“, Beschäftigungssicherungs-TV, Öffnungsklauseln, Anerkennungs-TVs, Firmen-TVs etc.
- Stärkung der Tarifbindung als Programm und Politik.
- Stärkung von unten (Erschließungsprojekte, Konflikte um Tarifbindung).
- Stärkung von oben und die Rolle des Staates (Allgemeinverbindlichkeit, Vergabegesetze, steuerliche Anreize etc.).
- Strategien der Arbeitgeberverbände (z. B. Annäherung an die Fläche durch OT-Verbände?)
- Stärkung durch Differenzierung bzw. Modularisierung?
- Gibt es neue Akteure der Tarifpolitik? Wie verändert sich die Rolle der Betriebsräte? Welchen Einfluss haben Gewerkschaften jenseits des DGB? Was passiert in Zonen jenseits des Tarifsystems?
Themenfeld 2: Themen bzw. Regulierungsfelder der Tarifpolitik
- Arbeitszeit und Tarifpolitik: Arbeitszeitgestaltung und/oder Arbeitszeitverkürzung (Optionsmodelle, Work-Life-Balance)
- Tarifpolitik und Entlohnung:
- Tarifpolitik und Entgeltgleichheit – (k)ein Thema?
- Entgeltstrukturpolitik und die Aufwertung von Care-Arbeit
- Mindestlohn und Tarifpolitik: national und europäischer Mindestlohn
- Agilität als Herausforderung für die Tarifpolitik
- Tarifpolitik und Leistung (Leistungsentlohnung und Leistungsentgrenzung, Mindestbesetzung)
- Tarifpolitik und Qualifizierung
- Tarifpolitik und Sozialpolitik (u. a. Alterssicherung, Gesundheit und Pflege, Teilzeit/Vollzeit, Leiharbeit)
Themenfeld 3: Konflikt und Kooperation
- Streiks: Formen, Themen, Häufigkeit, Beteiligung; Mobilisierungsformen; Organizing
- Abschied von der „Konfliktpartnerschaft“?
Themenfeld 4: Europäische und grenzüberschreitende Tarifpolitik
- Europäische gewerkschaftliche Koordinierung – (k)ein aktuelles Thema?
- Vergleichende Analysen zur Entwicklung von Tarifsystemen in Europa
- Tarifpolitik in international agierenden Unternehmen (etwa. Ryanair, Amazon); gewerkschaftliche Organisierung entlang von Wertschöpfungsketten
- Regulierung auf supranationaler Ebene (z. B. ILO, Codes of conduct, Local Governance Policy etc.)
Die Einreichungsfrist endet am 10.01.2020.