Call for Papers: Jahrestagung Gesellschaft für Hochschulforschung (18./19.03.2013)

8. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung
Berlin, 18./19. März 2013

“Differenzierung des Hochschulsystems in Deutschland und im internationalen Vergleich – Herausforderungen, Entwicklungsansätze und Folgen”

– Call for Papers –

Die stärkere Differenzierung der Hochschullandschaft ist in den letzten Jahrzehnten ein wiederkehrendes Thema der Hochschulentwicklung und der Hochschulforschung (nicht nur) in Deutschland gewesen. Bis heute sind jedoch Formen und Umfang wie auch die Auswirkungen stärkerer Differenzierung in der Hochschulforschung und in der Hochschulpolitik nicht unumstritten. Zwischen Konzepten eher egalitärer oder unitaristischer Hochschulstrukturen, einer dualen bzw. binären Struktur und solchen einer ausgeprägten Stratifizierung finden sich Gegensätze, aber auch fließende Übergänge.

Differenzierung gilt dabei oft als eine Antwort auf das Wachstum des Hochschulsystems und eine zunehmende funktionale Spezialisierung von Hochschulen. Auch wird Differenzierung oft im Zusammenhang mit neuen Wettbewerbsformen, Steuerungs- und Allokationsverfahren gesehen. Im Kontext der Globalisierung der Hochschulentwicklung ist in den letzten Jahren ein weiteres Thema aufgekommen: das Streben nach weltweiter Exzellenz („world class universities“). Wie in anderen Feldern der Hochschulpolitik dient auch bei der Frage der Differenzierung das Ausland, primär das amerikanische Hochschulsystem, häufig als Vorbild.

Grundsätzlich kann Differenzierung in sehr unterschiedlichen Formen erfolgen, als funktionale, sektorale, als inter- oder intrainstitutionelle Differenzierung, als Differenzierung zwischen Programmen, Abschlüssen, bei der Zusammensetzung des akademischen Personals oder in anderen Varianten. Am häufigsten findet sich die Unterscheidung zwischen einer horizontalen und einer vertikalen Ebene. Zur vertikalen Differenzierung gehört in erster Linie die unterschiedliche Bewertung von Hochschulen nach Ergebnissen/Leistungen, Qualität und Reputation. Zur horizontalen Differenzierung, oft auch als Profilbildung bezeichnet, gehören beispielsweise die Konzentration auf bestimmte fachliche Schwerpunkte oder die Entwicklung spezifischer Studienprofile bzw. Studienformate. Beide Prozesse können auch miteinander einhergehen; so können zum Beispiel profilbildende Maßnahmen zur Internationalisierung oder zur Förderung lebenslangen Lernens zugleich dazu dienen, Reputation und Anerkennung zu erhöhen.

Lange Zeit war in Deutschland die Vorstellung verbreitet, innerhalb ihres jeweiligen Sektors (Universitäten, Kunsthochschulen, Fachhochschulen) hätten alle Hochschulen im Großen und Ganzen eine ähnliche Qualität und Reputation. Rangunterschiede hätten – wenn überhaupt – eher eine informelle Bedeutung. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat nicht nur die wachsende Zahl von privaten Hochschulen und solchen, die sich auf bestimmte Angebotsformate spezialisieren, dazu beigetragen, die institutionelle Vielfalt der Hochschullandschaft zu vergrößern. Die Exzellenzinitiative sowie die Ausbreitung von Ranking- und Monitoringverfahren unterschiedlicher Art haben Unterschiede zwischen Hochschulen oder Fakultäten stärker sichtbar gemacht – begleitet von anhaltenden methodologischen Debatten und wissenschaftspolitischen Stellungnahmen (zuletzt vom Wissenschaftsrat). In die gleiche Richtung wirken Verfahren der Qualitätsprüfung und -sicherung. Auch die Föderalismusreform hat Unterschiede in der Hochschulentwicklung zwischen den Ländern verstärkt.

Es gibt aber auch gegenläufige Entwicklungen: So hat der Bologna-Prozess im Bereich der Studienstruktur eher zu einer Annäherung der Hochschultypen durch die Einführung der gleichen Abschlussgrade geführt. Auch ist Forschung keine exklusive Aufgabe der Universitäten mehr. Die Exzellenzinitiative hat einerseits zu neuartigen Rangabstufungen zwischen Universitäten geführt, andererseits aber auch eine entdifferenzierende Wirkung, indem das Modell der forschungsstarken, international ausgerichteten Universität (nach Möglichkeit mit exzellenter Lehre) zur vorherrschenden Leitlinie universitärer Entwicklung geworden ist.

Eine stärkere Differenzierung des Hochschulsystems in Deutschland bringt vielfältige Herausforderungen mit sich – für die Hochschulen und ihre Mitglieder, aber auch für die Hochschulpolitik und die Hochschulforschung. Wird es mehr Konvergenz oder mehr Divergenz in der Hochschulentwicklung geben? Verschwimmen die Unterschiede eher oder werden sie stärker? Wie wird das zukünftige Verhältnis zwischen Fachhochschulen und Universitäten (sowie anderen postsekundären Einrichtungen) aussehen? Welche langfristigen Auswirkungen wird die Exzellenzinitiative über den bisherigen Förderzeitraum hinaus haben? Welche Chancen haben spezifische Hochschulprofile unter der Bedingung, dass vor allem exzellente Forschungsleistungen und internationale Sichtbarkeit zählen? Gehen mit zunehmender Differenzierung auch neue Selektionsmechanismen und -muster einher? Verändern sich die nationalen oder internationalen Mobilitätsmuster durch Differenzierung? Werden in Zukunft die Berufs- und Beschäftigungschancen von Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen auch vom Status der jeweiligen Hochschule abhängen?

Beiträge zu diesen Herausforderungen sollen im Zentrum der Tagung stehen. Ein besonderer Schwerpunkt soll auf international-vergleichenden Beiträgen liegen, da sich ähnliche Entwicklungen auch in anderen Ländern vollziehen bzw. andere Staaten bereits über eine lange Tradition der institutionellen Differenzierung verfügen. Erwünscht sind insbesondere solche Beiträge, die sich explizit theoretischen oder methodologischen Fragen der Forschung über Differenzierungsprozesse widmen. Weitere Beiträge können für das hochschuldidaktische Forum sowie für einen „open track“ eingereicht werden, der die Möglichkeit zur inhaltlichen Ergänzung des thematischen Feldes eröffnen soll.

Es sind Beiträge unter anderem zu den folgenden Aspekten erwünscht:

  • Profilbildung der Hochschulen und des Studienangebots,
  • Verhältnis von Universitäten, Fachhochschulen und weiteren Einrichtungen des tertiären Bildungsbereichs wie Berufsakademien,
  • Wandel und Differenzierung der Aufgaben von Hochschulen,
  • Hochschulpolitische Interessenlagen und Initiativen, Erwartungen und Einflüsse im Blick auf Differenzierung,
  • Wirkungen von Förderprogrammen und Wettbewerben (z.B. Exzellenzinitiative),
  • Entwicklungen im Bereich der nicht-staatlichen Hochschulen,
  • Differenzierende Wirkung von Qualitätssicherungsinstrumenten (z.B. Programmoder Systemakkreditierung) oder von Verfahren, Unterschiede sichtbar zu machen (Rankings), Leistungsfähigkeit von Rankingverfahren,
  • Wachsende Heterogenität der Zielgruppen von Hochschulbildung und der Studierendenschaften,
  • Veränderte Rekrutierungs- und Selektionsprozesse beim Hochschulzugang oder beim Übergang in Arbeitsmarkt und Beruf,
  • Ausdifferenzierung von Karrierewegen in der Wissenschaft,
  • Differenzierende Effekte von wettbewerblichen und indikatorbasierten Mittelverteilungsmodellen.

Vortragsangebote sind bitte bis zum 31. Oktober 2012 per Email an das lokale Organisationskomitee (hochschulforschung@hu-berlin.de) zu richten. Die Vorschläge sollen den Umfang von 500 Wörtern nicht überschreiben. Es kann sich um Einzel- und Gruppenpräsentationen oder auch um Paneldiskussionen handeln. Die Einsenderinnen und Einsender erhalten voraussichtlich bis zum 15. Dezember 2012 eine Rückmeldung über die Annahme ihres Beitrags.

Lokales Organisationskomitee:
Humboldt- Universität zu Berlin
Philosophische Fakultät IV
Institut für Erziehungswissenschaften Abteilung Hochschulforschung
Prof. Dr. Andrä Wolter
Dipl.-Pol. Ulf Banscherus
Ole Engel, M.A.
Dipl.-Vw. Anna Spexard