Ergebnisse des Arbeitszeitzirkels „Im Takt der Region: Überbetrieblicher Tätigkeitswechsel“, WiREG mbH, Flensburg, 19.09.2018

Am 19.09.2018 hatte das Team Lebenszeit 4.0 in das Technologiezentrum der WiREG mbH geladen, um Susanne Bartel und Sylvia Hahn vom Partnerprojekt „TErrA“ (Tätigkeitswechsel zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit, https://taetigkeitswechsel.de/) Gelegenheit zu geben, das Konzept des überbetrieblichen Tätigkeitswechsels in regionalen Unternehmensnetzwerken vorzustellen und die Möglichkeiten seiner Umsetzung im Flensburger Raum zu diskutieren. Das Podium bestand neben Susanne Bartel aus Lothar Christiansen (Stellvertretender Personalratsvorsitzender der Stadt Flensburg), Heiko Frost (Geschäftsführer Adel-by 1), Fabian Geyer (Arbeitgeberverband Flensburg Schleswig Eckernförde), Wenzel Matiaske (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) und Michel E. Domsch (ebenfalls Helmut-Schmidt-Universität Hamburg), der die Diskussion moderiert hat. Die Ergebnisse der Veranstaltung lauten zusammengefasst:

  • In bestimmten Berufen ist es angesichts des gegebenen Belastungsniveaus unwahrscheinlich, das gesetzliche Rentenalter zu erreichen (z.B. in der Alten- oder Krankenpflege). Hier von vornherein einen Tätigkeitswechsel mitzudenken bzw. im Berufsprofil anzulegen kann sich positiv auf die Gesundheit, die Qualifikation und die Motivation der Mitarbeiter*innen auswirken. Auch können die Kosten, die Unternehmen bzw. der Gesellschaft durch Arbeitsausfall, Krankheit, Behandlung, Rehabilitation und Wiedereingliederung bzw. Frühverrentung entstehen, verringert werden.
  • Es läuft allerdings der unternehmerischen Logik zuwider, Mitarbeiter*innen, ggf. mit erheblichem Aufwand, dabei zu unterstützen, in einem anderen Unter-nehmen eine neue Tätigkeit aufzunehmen. In einem stabilen Netzwerk, so das Gegenargument, kann ein Unternehmen aber darauf vertrauen, dass es durch den überbetrieblichen Tätigkeitswechsel langfristig nicht nur Mitarbeiter verlieren, sondern auch Mitarbeiter gewinnen wird, deren Erwartungen und Qualifikationen besser mit den jeweiligen Stellenprofilen in Einklang sind. So steigert sich langfristig nicht nur im Unternehmen die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern in der ganzen Region.
  • Vielfältige individuelle, soziale und strukturelle Hemmnisse be- bzw. verhindern die offene Artikulation des Wunsches nach einem überbetrieblichen Tätigkeitswechsel bzw. entsprechende Vorschläge des Unternehmens an die Mitarbeiter*in. Dem kann durch passende Rahmenbedingungen, das wechselseitige Vertrauen in die gute Absicht und die sorgfältige Betreuung des individuellen Falls begegnet werden.
  • In Hinblick auf die geeigneten Rahmenbedingungen mangelt es zuweilen an der „institutionellen Fantasie“, Kooperationsformen jenseits des Marktes oder staatlicher Regelung anzudenken, die der Poolung von Ressourcen bzw. einem Gemeinschaftsinteresse dienen. Dass dergleichen möglich ist, wird bereits durch das Genossenschaftsmodell belegt. Aus Arbeitgebersicht setzt die Politik zurzeit allerdings eher widersprüchliche Rahmenbedingungen.
  • Den Kommunen sind durch den Rechtsrahmen und knappe Budgets grundsätzlich enge Grenzen gesetzt, sich bei neuen Formen überbetrieblicher Kooperation zu engagieren. Zudem herrscht unter den Kommunen in der Region Flensburg eher Konkurrenz denn ein kooperatives Verhältnis. Diese Umstände schließen aber grundsätzlich nicht aus, die Möglichkeiten der Beteiligung der Kommune – sei es im Raum Flensburg oder in anderen Regionen – auszuloten. So wäre es beispielsweise denkbar, dass diese das Spektrum ihrer Dienstleistungen erweitert (z.B. auf die Berufsförderung), während die Unternehmen diese Maßnahmen (mit)finanzieren.
  • Auch wenn man durch die Vernetzung privater (und ggf. kommunaler) Akteure zu tragfähigen Lösungen findet, darf das den Staat nicht aus der Pflicht entlassen.

Im Rahmen der Diskussion wurden die folgenden weiteren Punkte angesprochen:

  • Zurzeit ist noch unklar, wem im Netzwerk der Stakeholder die Kosten und Nutzen zugerechnet werden sollen, die im Falle eines überbetrieblichen Tätigkeitswechsels entstehen. Wer trägt beispielsweise die Einkommensausfälle, wenn ein Mitarbeiter in eine Neigungstätigkeit wechselt, die aber niedriger entlohnt wird als die alte Tätigkeit?
  • Bei der Diskussion der Gestaltungsmöglichkeiten von Unternehmen tendiert man häufig unwillkürlich dazu, die Gestaltungsmöglichkeiten großer Unternehmen zum Maßstab zu machen und die eingeschränkten Möglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen auszublenden.
  • Aus Arbeitgebersicht gilt es zu vermeiden, Mitarbeiter*innen, möglicherweise schon zu Beginn ihres Erwerbslebens, dahingehend zu „hypersensibilisieren“, bereits bei kleineren Unpässlichkeiten des beruflichen Alltags die Option eines überbetrieblichen Tätigkeitswechsel zu erwägen bzw. zu ergreifen.
  • Man sollte die existierenden regionalen Netzwerke nutzen, bevor man ein neues Netzwerk einführt, das mit den existierenden Strukturen möglicherweise nicht kompatibel ist.
  • Das Kernproblem in der Region besteht im Fachkräftemangel.

Die Schlussfolgerungen aus dem Arbeitszeitzirkel zum überbetrieblichen Tätigkeitswechsel lauten:

  • Die Gemeinwohlorientierung wächst im Vergleich zur Markt- bzw. Wettbewerbsorientierung, und damit das Interesse an Kooperationsformen jenseits des Marktes (und staatlicher Regelung).
  • Es existieren vielfältige individuelle, soziale und strukturelle Hemmnisse, die die Artikulation des Wunsches nach einem überbetrieblichen Tätigkeitswechsel, aber auch den Aufbau überbetrieblicher Netzwerke behindern. Z.B. ist eine Orientierung an kurzfristigen individuellen Zielen dem Aufbau langfristiger Strukturen in einem Gemeininteresse in der Regel nicht förderlich. Beim Aufbau über-betrieblicher Netzwerke steckt der Teufel mitunter im Detail.
  • Eine gute Ausgangsbasis für den Aufbau überbetrieblicher Netzwerke bildet die überbetriebliche Bildung bzw. Weiterbildung. Der überbetriebliche Tätigkeitswechsel führt häufig über eine Weiterbildungsmaßnahme, wobei die entsprechende Bildungseinrichtung gleichsam das Sprungbrett, den „Hub“ dar-stellt. Bildung ist grundsätzlich ein „Ermöglicher“, der dem Individuum neue Handlungsspielräume eröffnet.
  • Setzt sich ein Unternehmen die Selbstfindung seiner Mitarbeiter*innen zum Ziel, dann sollte dies einen aktiven und unvoreingenommenen Umgang mit den Möglichkeiten des (über-)betrieblichen Tätigkeitswechsels einschließen.

Wir bedanken uns bei den Teilnehmern des Arbeitszeitzirkels für ihr Engagement und werden in Kürze über die weiteren geplanten Aktivitäten im Rahmen des Projekts Lebenszeit 4.0 informieren.

Ihr Team Lebenszeit 4.0