[Neuer Wochenbericht] DIW Berlin: Konjunkturzyklen im Euroraum angleichen – aber wie?

Konjunkturelle Ausgleichszahlungen als Stabilisierungsinstrument in der Europäischen Währungsunion
Kerstin Bernoth, Philipp Engler

Mit der Krise im Euroraum hat die Frage nach der institutionellen Ausgestaltung der Währungsunion an Bedeutung gewonnen. Ein Problem im Hinblick auf die längerfristige Stabilität des Euroraums ist das Fehlen von Mechanismen, die nur in einzelnen Ländern auftretende konjunkturelle Schocks ausreichend abfedern. Dies ist notwendig, um eine für alle Länder angemessene einheitliche Geldpolitik betreiben zu können. Es sollte daher nachgedacht werden, die Europäische Währungsunion mit einem konjunkturellen Transfermechanismus etwa in Form einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung auszustatten. Dies wäre kein Instrument zur Lösung der derzeitigen Krise, sondern ein Instrument, um der Europäischen Währungsunion mittel- bis langfristig mehr Stabilität zu verleihen.

DIW Wochenbericht 79(2012) Heft 44 ; S. 3-8
http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.410736.de/12-44-1.pdf

Eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung für den Euroraum
Sebastian Dullien, Ferdinand Fichtner

Ein konjunkturbezogenes Transfersystem für die Mitgliedsländer des Euroraums könnte einen Beitrag dazu leisten, zyklische Ungleichgewichte zwischen den Ländern auszugleichen. Ein solches System wird hier in der konkreten Form einer europäischen Arbeitslosenversicherung vorgeschlagen. Durch diese Ausgestaltung ergibt sich eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen Formen konjunktureller Transfersysteme. Indem der Fokus auf Kurzzeitarbeitslosigkeit gelegt wird, besteht ein automatischer Zusammenhang zwischen Transferzahlungen und der konjunkturellen Situation eines Landes; ein solches System ist daher robust gegenüber politischer Manipulation. Weitgehend verhindert werden kann außerdem, dass einzelne Länder systematisch Nettozahler oder Nettoempfänger sind. Nicht geeignet wäre eine europäische Arbeitslosenversicherung hingegen, um strukturelle Divergenzen zwischen den Mitgliedsländern, wie sie sich derzeit in der Krise im Euroraum niederschlagen, zu beheben oder zu verhindern. Zyklische Ungleichgewichte innerhalb der Währungsunion können aber mit einer europäischen Arbeitslosenversicherung wirkungsvoll und ohne großen bürokratischen Zusatzaufwand bekämpft werden. Ein solches System könnte daher ein wichtiges Stabilisierungselement für die Mitgliedsländer der Währungsunion sein.

DIW Wochenbericht 79(2012) Heft 44 ; S. 9-15
http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.410738.de/12-44-2.pdf

Mechanismen zur Harmonisierung der Konjunkturverläufe in der Eurozone: eine skeptische Sicht
Karl Brenke

Mit der europäischen Währungsunion kam es zu einer Vereinheitlichung der Geldpolitik und zu einem System fixer Wechselkurse. Damit gingen Fehlanreize einher, die gravierende wirtschaftliche Verwerfungen nach sich gezogen haben. Derzeit werden – nicht nur im DIW Berlin – Vorschläge unterbreitet, wie mit konjunkturellen Ausgleichsmechanismen in der Eurozone künftig ein größerer Gleichlauf bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedstaaten erreicht werden kann. Der vorliegende Beitrag geht ausführlich auf einige Probleme bei solchen Transfersystemen ein und kommt insgesamt zu einer deutlich skeptischeren Bewertung konjunktureller Ausgleichsmechanismen als die beiden vorigen Artikel in dieser Ausgabe. Umfassende fiskalische Ausgleichssysteme sind immer mit dem Risiko der Verschwendung von Ressourcen verbunden. Zudem könnten automatisch wirkende Mechanismen leicht in eine ungewünschte Richtung wirken. Die Alternative zu einem fiskalischen Ausgleichssystem, eine europäische Arbeitslosenversicherung, ist im Grenzfall nicht wirksam, weil die nationalen Versicherungen bereits die Funktion automatischer Stabilisatoren ausüben. Es käme letztlich nur zu einer Verlagerung von Kompetenzen auf die supra-nationale Ebene. Damit wäre eine Vereinheitlichung der nationalen Arbeitslosenversicherungen und die Installierung von Kontrollfunktionen bei einer neutralen, europäischen Instanz verbunden – und mithin mehr Bürokratie. Überdies käme es bei Einführung einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung mindestens in der Startphase zu einer erheblichen Umverteilung von Mitteln; das könnte Verteilungsfragen in den Geberländern aufwerfen.

DIW Wochenbericht 79(2012) Heft 44 ; S. 17-21
http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.410742.de/12-44-4.pdf

Der Link zum Heft: http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.410734.de/12-44.pdf