Call for Papers: Outcomes als Schlüsselkategorien gesellschaftlicher Selbstbeobachtung

Call für die gemeinsame Session der Sektionen soziale Indikatoren und Medizin‐ und Gesundheitssoziologie

Outcomes als Schlüsselkategorien gesellschaftlicher Selbstbeobachtung ‐ am Beispiel von Lebenserwartung, Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Partizipation  

Für Theorien der Gesellschaft und für die gesellschaftliche Selbstbeobachtung ist wohl kein Schritt so grundlegend und folgenreich wie die implizite oder explizite definitorische Einigung auf outcome‐Variablen. Die seit 200 Jahren am meisten benutzte Ergebnis‐Variable  („outcome“), an der nicht nur die beiden Systeme der Krankenversorgung und der Gesundheitsförderung, sondern oft sogar die Güte ganzer Staatswesen  gemessen werden, war und ist individuelle und populationsbezogene Mortalität. Sie wird in der Regel als individuelle Lebenszeit oder populationsbezogene Lebenserwartung operationalisiert. So relevant diese Größe bspw. auch für die Soziologie sozialer Ungleichheit ist, so wenig relevant ist sie offensichtlich in vielen wichtigen Gebieten. An Rückenschmerzen leidet man schwer, aber stirbt in der Regel nicht an ihnen. In der Gerontologie ist die unzureichende Aussagekraft der Ergebnis‐Variable Mortalität bzw. Lebenserwartung mittlerweile offenkundig geworden, und mündet in der sprichwörtlich gewordenen Forderung, den Jahren Leben hinzuzufügen statt dem Leben Jahre.

Mittlerweile liegt eine Reihe an Vorschlägen vor. Eine der berühmtesten sind die Quality adjusted life years (QALY), die zahlreiche auch sozialphilosophisch relevante Frage aufwarfen: Warum soll definitorsch ausgeschlossen werden, dass kein Zustand im Leben schlechter sein kann als der Tod, obwohl empirisch viele Menschen seit   Jahrtausenden Zustände kennen, die sie subjektiv schlimmer finden als zu sterben? Vor allem: Welche Relevanz  kann, soll und darf es für ein Individuum haben, das seine eigenen Zustände bewerten will, dass Andere diese Zustände anders bewerten als das Individuum selbst? In Staaten mit demokratischen Verfassungen ist nur das Individuum selbst berechtigt zu definieren, was es will. Solche Fragen haben seit Jahrzehnten fruchtbare Kontroversen in den Sektionen Soziale Indikatoren und Medizin‐ und Gesundheitssoziologie ausgelöst.

Den weitestgehenden Vorschlag zu outcome‐Maßen  hat – in Anlehnung an die ICF der WHO ‐ der deutsche Gesetzgeber gemacht. Im Sozialgesetzbuch IX benennt er als Ziele rehabilitativer Pflege und Therapie die „Selbstbestimmung“ und die „Teilhabe am sozialen Leben“ ‐ Zielzustände, die vorher mehr in die Zuständigkeit von Politik (historisch des Sozialismus und des Nationalstaats) und Nationalökonomie fielen statt in das Krankenversorgungssystem. Dass Selbstbestimmung und Partizipation in die Zuständigkeit der  Gesundheitssysteme fallen, zeigt, wie sehr politische und ökonomische Lehren des richtigen und guten Lebens spätestens seit der Epochenwende 1989 an Glanz einbüßten.

Auch aus diesem Grund sind Beiträge zu den outcomes „Selbstbestimmung“, „Partizipation am gesellschaftlichen Leben “ und den an ihnen gemessenen sozialen Ungleichheiten ausdrücklich eingeladen.

Das Wort outcome verweist noch auf ein zweites Problem, zu dem ebenfalls Beiträge eingeladen sind. Das Wort outcome unterstellt von der Wortbedeutung eine klare Kausalitätsrichtung, dass nämlich ein diagnostizierter Zustand als Ergebnis einer Entwicklung oder Maßnahme analysiert werden kann. Soziale Indikatoren haben eher den Anspruch korrelativer Analysen, die noch im Vagen lassen, ob es sich bei ihnen um Ergebnisse analysierbarer Prozesse oder schlicht um Zustände handele, deren Zustandekommen nicht zwingend untersucht werden müssen. Deswegen sind auchausdrücklich Beiträge eingeladen, die outcomes als Ergebnis von Prozessen und Interventionen analysieren.

Vortrags‐Abstracts (eine Seite) sind bis zum 15. April 2012 (Jürgen Schupp und Johann Behrens) zu emailen.